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Frauen in FIFA: FAMEHERGAME als Vehikel - nicht als Lösung

FAMEHERGAME als Vehikel - nicht als Lösung

FIFA-eSport: "Ich wusste damals nicht, dass Frauen das überhaupt dürfen"

'RBLZ_Ebru' war Finalistin im DFB-Bootcamp zu FAMEHERGAME.

'RBLZ_Ebru' war Finalistin im DFB-Bootcamp zu FAMEHERGAME. build a rocket GmbH

"Mach meine Wäsche", "Gib mal Insta" - das sind Kommentare, die Deutschlands weibliche FIFA-Elite häufiger mal abbekommt. Die besten Spielerinnen des Landes sagen im Gespräch mit kicker eSport aber auch, es sei "bedenklich, dass sich nur so wenige Frauen trauen, in die Öffentlichkeit zu treten und eSport zu betreiben". Wir haben mit den weiblichen Top-Profis gesprochen.

Dass Fabienne 'FabienneXIII' Morlok von FOKUS sich im vergangenen Jahr als allererste Frau überhaupt für einen FGS-Qualifier qualifizieren konnte, war ein großes Thema. Die Wettbewerbe finden mehrmals im Jahr statt, Hunderte von Teilnehmern messen sich allein in den europäischen Ausgaben. Hunderte von Männern, denn 'FabienneXIII' ist immer noch die krasse Ausnahme. Mit der Initiative FAMEHERGAME sollen die Frauen im FIFA-eSport gestärkt werden. 

'Mari' hat am FAMEHERGAME-Bootcamp des DFB teilgenommen. build a rocket GmbH

Ziel ist es unter anderem, auf Dauer eine konkurrenzfähige weibliche Szene zu erzeugen. Um die Entwicklung allerdings in diese Richtung zu treiben, wird zunächst Separation betrieben. Im Rahmen der FAMEHERGAME-Bootcamps waren auf nationaler Ebene zunächst sechs deutsche Spielerinnen zum DFB nach Frankfurt eingeladen. Anschließend weilten 24 Spielerinnen für das Final-Event in Zürich - darunter 'FabienneXIII' sowie Jennifer und Laeticia Kouchmeshki. 

Frauen und Männer sollten nicht getrennt werden, weil dadurch die Gender-Lücke immer weiter wächst.

Marina 'Mari' Preradovic von Hertha BSC

Morlok hatte sich im DFB-Bootcamp durchgesetzt, die Kouchmeshki-Schwestern waren durch Absagen anderer Nationen nachgerückt. Die Frauen waren in Zürich unter sich, an der FAMEHERGAME-Endrunde nahm kein Mann teil. Diese Trennung sehen die Akteurinnen selbst jedoch kritisch. "Frauen und Männer sollten nicht getrennt werden, weil dadurch die Gender-Lücke immer weiter wächst", sagt Marina 'Mari' Preradovic von Hertha BSC. 

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Die eSportlerin hatte in der abgelaufenen Saison der Virtual Bundesliga (VBL) Club Championship im 2vs2 mit Tom 'BISSO__23' Bismark den ersten Ligasieg einer Frau eingefahren. Umso beachtlicher, da sie sich gegen die beiden Rostocker Vizemeister Levy Finn 'levyfinn' Rieck und Henning 'FCH_Henning' Wilmbusse durchsetzen musste. "Ich konnte bei den Männern in einer hohen Leistungsdichte gewinnen. Das können auch andere Frauen schaffen", so Preradovic weiter.

Die Einschätzung der Hertha-Spielerin, die beim VBL Grand Final auch als Reporterin unterwegs war, fällt dennoch ernüchternd aus: "Frauen sind noch nicht so stark vertreten im eSport. Es liegt natürlich auch an uns, das zu ändern. Ich sitze hier gerade bei einem reinen Frauen-Cup, wovon ich eigentlich auch gar kein Fan bin." Trotzdem könne FAMEHERGAME einen positiven Effekt haben und für eine nachhaltige Verbesserung der Situation sorgen.

Es gibt ja inzwischen fast 50 Prozent weibliche Gamer. Dass sich davon nur so wenige trauen, in die Öffentlichkeit zu treten und eSport zu betreiben, ist bedenklich.

Jessica 'FCSP_Jessy' Niebel vom FC St. Pauli

Als "Grundbaustein, um weiter zu denken", bezeichnet Jessica 'FCSP_Jessy' Niebel vom FC St. Pauli die FAMEHERGAME-Bootcamps. Auch sie kritisiert, dass "wir noch sehr separat betrachtet werden". Denn der eSport zeichne sich ja dadurch aus, dass "es keine körperlichen Unterschiede gibt". 'Jessy' versteht die Trennung von Männern und Frauen als temporäres "Vehikel". Auf Dauer müsse die Lösung aber sein, diese Separation zu überwinden. 

'FCSP_Jessy' ist beim FC St. Pauli Teammanagerin der Pro-Club-Mannschaft. build a rocket GmbH

"Es gibt ja inzwischen fast 50 Prozent weibliche Gamer. Dass sich davon nur so wenige trauen, in die Öffentlichkeit zu treten und eSport zu betreiben, ist bedenklich", sagt Niebel. "Vielleicht haben sie Angst davor, den Wettkampf mit den Männern nicht hinzukriegen." Sie selbst weiß genau, wie man sich in einer männlich dominierten Domäne durchsetzt. Seit Jahren schon ist sie Teammanagerin der Pro-Club-Mannschaft von St. Pauli. 

Frauen müssen sich offene Türen selbst erspielen. Ich habe das Gefühl, dass wir erst mal ein richtiges Zeichen setzen müssen, um uns zu beweisen.

Marina 'Mari' Preradovic von Hertha BSC

Grundsätzlich erscheint der Weg in den FIFA-eSport als Frau steinig. "Frauen müssen sich offene Türen selbst erspielen", sagt Preradovic. "Ich habe das Gefühl, dass wir erst mal ein richtiges Zeichen setzen müssen, um uns zu beweisen." 2022/23 standen inklusive 'Mari' nur zwei Frauen in Kadern für die VBL Club Championship. Außerhalb der großen kompetitiven Bühne schließen sich jedoch vermehrt FIFA-Spielerinnen den Vereinen und Organisationen an. 

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"Einerseits ist es toll, dass Vereine immer mehr Frauen zu sich holen", sagt Preradovic. "Andererseits handeln sie oft nach dem Motto: 'Hauptsache, wir haben eine Frau.' Die soll dann Content machen, der nichts mit FIFA zu tun hat." Dadurch würden Frauen "in die Content-Creator-Schublade gesteckt, obwohl wir beides können". Es herrsche bei manchen Klubs "leider ein falsches Verständnis, das ist nicht der Sinn dahinter". 

Als Frau werde ich zu oft auf mein Äußeres reduziert. Es geht dabei nicht immer um die Leistung.

Marina 'Mari' Preradovic von Hertha BSC

Gerade der fördernde Aspekt fehle 'Mari' gelegentlich. "Ich würde mir wünschen, das mehr Vereine den Mut hätten, ihre Frauen auch spielen zu lassen", sagt sie. Was Preradovic jedoch nicht möchte, ist, "dass dann im Vorfeld abgesprochen wird, dass nur Frauen gegen Frauen spielen".

Ein weiteres Problem sei der öffentliche Fokus auf die Optik der Spielerinnen. "Die meisten Kommentare sind auf mein Aussehen bezogen", erzählt die Hertha-eSportlerin. "Gerade als ich die VBL moderiert hatte: 'Oha, wer ist diese Moderatorin? Gib mal Insta!' Das ist so traurig. Als Frau werde ich zu oft auf mein Äußeres reduziert. Es geht dabei nicht immer um die Leistung." Bei Männern wiederum sei "völlig egal, wie jemand aussieht". 

Ich wusste damals nicht, dass Frauen das überhaupt dürfen.

Ebru 'RBLZ_Ebru' Önal von RB Leipzig

Ebru Önal von RB Leipzig berichtet von derb sexistischen Äußerungen - auch und vor allem beim Streaming. "Wenn ich gegen Männer gewinne, die wissen wer ich bin, kommen die schon mal in meinen Chat und schreiben: 'Geh doch in die Küche' oder 'Mach meine Wäsche'", meint 'RBLZ_Ebru' lächelnd - aber eben doch ernst. Generell empfindet sie FAMEHERGAME und die Bootcamps als "ein positives Zeichen": "DFB und FIFA nehmen sich die Zeit, um Frauen im eSport zu fördern." 

Dass Förderung nötig ist, verdeutlicht auch ein Erlebnis aus Önals Vergangenheit: "Vor ein paar Jahren gab es noch keine Frauen im FIFA-eSport. Und ich wusste damals auch nicht, dass Frauen das überhaupt dürfen."

Vor diesem Hintergrund scheint die Aufmerksamkeit, die FAMEHERGAME generiert, elementar wichtig zu sein. Obgleich die Trennung zwischen Männern und Frauen zumindest für die deutschen Spitzen-FIFA-Spielerinnen nur Mittel zum Zweck sein kann.

Niklas Aßfalg

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