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eSport im Fokus der Wissenschaft: "Noch Luft nach oben"

Sporthochschule veröffentlicht Studienergebnisse

eSport im Fokus der Wissenschaft: "Noch Luft nach oben"

Kevin Reiser vom 1. FC Nürnberg hat sich den Test der DSHS unterzogen.

Kevin Reiser vom 1. FC Nürnberg hat sich den Test der DSHS unterzogen. eSportwissen/DSHS

eSportler sind gesund. Das fand die deutsche Sporthochschule Köln in einer jüngst veröffentlichten Studie heraus und widerspricht damit der landläufigen Meinung, Gamer wären übergewichtig, ungebildet und unsportlich: "Diese Klischees sind längst überholt", so Prof. Dr. Ingo Froböse, Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation der Deutschen Sporthochschule Köln (DHSH). "Dennoch birgt das Trainings- und Gesundheitsverhalten von eSportlerinnen und eSportlern noch viel Verbesserungspotenzial."

Grundstein ist gelegt

Die Studie stellt den Auftakt zu einer längerfristigen Beschäftigung mit dem Thema eSport dar. Ziel soll es sein, Trainings- und Ernährungskonzepte für Profis und Amateure zu entwickeln. Ebenso solle die Gesundheitsförderung vorangetrieben werden. Der erste Schritt war demnach eine grundsätzliche Erhebung von Daten. Zu diesem Zweck hat die DSHS knapp 2.000 Spieler zu unterschiedlichsten Themen befragt. Darunter waren sowohl Gamer als auch Amateur-eSportler und Profis. Zusätzlich haben die Forscher auch Gesundheitstests mit einigen Profis wie Mirza Jahic durchgeführt, um Rückschlüsse auf den Fitnesszustand und Unterschiede zu Amateuren zu ziehen. Die erhobenen Daten hat die DSHS ordentlich wissenschaftlich ausgewertet und bereits erste Erkenntnisse veröffentlicht.

Warum macht die Hochschule das?

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Einerseits ist eSport ein wissenschaftlich noch völlig unerforschtes Projekt und damit interessant für DSHS. Ebenso ist Froböse schon seit Jahren einer, der dem eSport offen und interessiert gegenübersteht. Letztlich wird die Forschung aber durch Drittmittel finanziert, namentlich durch die AOK Rheinland/Hamburg, eine Krankenkasse. Diese dürfte die junge Zielgruppe hochinteressant finden und zukünftig mit besonderen Konzepten explizit um Gamer werben. Mit den Mitteln der Kasse kann die Hochschule einen Teil von Froböses Team finanzieren, das insgesamt nicht nur zum Thema eSport forscht, sondern an weit über 20 Projekten beteiligt ist.

Erkenntnisse

Der Erkenntnisgewinn der veröffentlichen Ergebnisse schwankt indes von hochinteressant zu trivial. So fand Froböses Mannschaft heraus, dass höhere Spielzeiten auch mit längeren Sitzzeiten einhergehen. Wissenschaftlich ist es sinnvoll, das einmal zu erheben, die Erkenntnis ist allerdings banal. Auf Basis dieses Ergebnisses entsteht allerdings Bedarf für zu entwickelnde Trainingskonzepte, die Gamer von den Stühlen holen, denn langes Sitzen bringt mannigfaltige gesundheitliche Probleme mit sich. Spannender ist da schon die Erkenntnis, dass Amateure mehr Spielstunden wöchentlich (28,5) aufweisen, als Profis (27,7). Aber auch Hobby-Spieler sind pro Woche nur rund sieben Stunden (21,8) weniger an Konsole oder PC. Egal in welcher Gruppe: Über 50 Prozent der befragten eSportler verbringen mehr als 20 Stunden wöchentlich vor ihrem Spielgerät. Das ist ein signifikant hoher Anteil der eigenen Freizeit, deutlich mehr als beispielsweise jeden Tag einen Film zu sehen.

Kein gezieltes Training

Prof. Dr. Ingo Froböse (re.) leitet das Team der DSHS, das zum eSport forscht.

Prof. Dr. Ingo Froböse (re.) leitet das Team der DSHS, das zum eSport forscht. DSHS

Gleichzeitig fanden die Forscher heraus, dass in keiner der Kategorien systematisch trainiert wird. Nur ein Drittel absolviert überhaupt gezieltes Training. "Der Rest verfolgt das Prinzip 'viel hilft viel' und hofft, allein durch häufiges Spielen besser zu werden. Ganzheitliche Ansätze, die auch ein Training abseits des Computers beinhalten, finden wir nur vereinzelt wieder", so Froböse. Zwar fanden die Forscher auch heraus, dass knapp 84 Prozent der Befragten sportlich aktiv sind, vornehmlich in Radfahren, Joggen/Walken und Fitnesstraining. "Allerdings reicht das Sporttreiben noch nicht aus, denn nur knapp die Hälfte der Befragten erreicht das empfohlene Mindestmaß von 2,5 Stunden Bewegung in der Woche. Hier ist also noch Luft nach oben", erklärt Froböse.

Auch die Verbindung von Training mit Ruhezeiten, Schlafen und gesunder Ernährung liegt vielfach noch brach. Alles Punkte, an denen die Forscher nun ansetzen wollen, denn einige Ergebnisse lesen sich bedenklich: Lange Sitzzeiten sind ein großer Risikofaktor, je mehr gespielt wird, desto schlechter ist der Gesundheitszustand der Befragten, viele schlafen schlecht, essen ungesund und haben vergleichsweise einen leicht erhöhten BMI.

Gut für alle, die viel sitzen

Zusammengefasst räumt die Studie mit gängigen Klischees also zunächst auf: eSportler sind überdurchschnittlich gebildet und körperlich aktiv. Allerdings ist in diversen Punkten noch "viel Luft nach oben", wie Froböse es ausdrückt. Es gibt kaum Trainingskonzepte und die eigene Gesundheit wird eklatant vernachlässigt. Gut, dass die DHSH sich mit dem Thema beschäftigt und Konzepte und Präventionsmaßnahmen entwickeln wird. Die kommen nämlich nicht nur eSportlern zugute, sondern Gamern und allen, die viel sitzen.

Holm Kräusche