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FIFA 18-Experten: "Cheating ist kein Kavaliersdelikt"

FIFA-Profis in der Verantwortung

FIFA 18-Experten: "Cheating ist kein Kavaliersdelikt"

Wer cheatet, der muss gehen. Das ist die einhellige Meinung von Agenturen und Vereinen. Hier begründen sie, warum.

Wer cheatet, der muss gehen. Das ist die einhellige Meinung von Agenturen und Vereinen. Hier begründen sie, warum.

"Matchfixing, Cheating und Vorteilsgewährung sind keine Kavaliersdelikte, sondern schwerwiegende Eingriffe in die sportlichen Grundwerte, die den eSport definieren." Das sagt Hans Jagnow, Präsident des eSport-Bund Deutschland, also dem Verband für eSportler, der sich gerade in der Entstehung befindet. Jagnow tritt für eine generelle Verbesserung der Gesamtsituation des eSports ein. Er weiß, dass die Dinge, die jede Woche in der Weekend League passieren, der jungen Sportart schaden: "Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass solche Verhaltensweisen unter irgendwelchen Umständen akzeptabel wären, sie sind klar zu verurteilen. Alle Teilnehmer müssen sich darauf verlassen können, dass die sportliche Leistung ausschlaggebend für den Erfolg ist und die Integrität des eSports jederzeit gewahrt ist."

Wer betrügt, fliegt raus

Nach den Vorfällen um Bruno 'Brunisco' Bardelas am Last Chance Weekend ging ein Ruck durch die FIFA-eSport-Szene und Cheating sowie Matchfixing wurden auf den sozialen Kanälen heiß diskutiert. Fans und sogar einige eSportler solidarisierten sich mit Bardelas und ordneten den Vorfall als Bagatelle ein.

Teoman Arslan von der Organisation L4K eSports hat einige FIFA-eSportler unter Vertrag und eine klare Meinung zu Matchfixing: "Wir würden z.B. niemals einen Spieler unter Vertrag nehmen, der von so einem Fall betroffen war." Auch bei der renommierten Spieleragentur eSports Reputation (ESR) gibt es kein Pardon: "Spieler, die bei ESR vertraglich gebunden sind und cheaten, fliegen raus. Wer Cheating öffentlich gutheißt und dafür Verständnis zeigt, der fliegt ebenfalls raus. Entsprechende Klauseln stehen bei ESR in den Verträgen", sagt Joshua Begehr, Director eSports von ESR.

eSport ist mehr als Freizeitzocken

Der FIFA-eSport geht mit großen Schritten in Richtung Professionalisierung. Spieler wie Cihan Yasarlar können längst von ihren Honoraren und Preisgeldern leben. Hier entsteht für viele Zocker eine Diskrepanz, sagt Arslan von L4K: "Es geht mittlerweile um viel mehr als nur mal eben ein Turnier spielen. Es geht in Richtung Lebensunterhalt. Und ich bin umso mehr enttäuscht, dass gerade die, die ihr Geld damit verdienen, diese Unsportlichkeit auch noch schönreden."

Man sollte nicht vergessen, dass eSport-Profis auch eine Vorbildfunktion erfüllen. Sie erreichen eine junge Zielgruppe und leben dieser ein bestimmtes Denken und Handeln vor.

Tim Reichert, Chief Gaming Officer, FC Schalke 04

Tatsächlich hänge an solchen vermeintlich kleinen Betrügereien wie dem Verschenken eines Sieges deutlich mehr, als die meisten annehmen. Das sagte uns ein Vereinsmanager, der ungenannt bleiben möchte. Sponsoren, Medien, Fans würden davon in Mitleidenschaft gezogen, ganz zu schweigen von der Glaubwürdigkeit des eSports allgemein. Das sieht auch Daniel Luther so. Er berät unterschiedlichste Mannschaften im eSport, zum Beispiel den FC Basel: "Fairplay ist ein integraler Bestandteil eines gesunden Sports. Ich bin ein Verfechter von fairem Umgang und lebe es in meinen Projekten und gegenüber unseren Spielern vor."

Spannungen zwischen Vereinen und Szene

Er sieht den eSport noch in der Anfangsphase der Professionalisierung und macht ein Spannungsfeld zwischen Fußballvereinen und der gewachsenen Szene aus: "Es fällt dem endemischen FIFA-eSport schwer, mit den über 100 Fußballvereinen Schritt zu halten, die über Jahrzehnte professionelle Strukturen aufgebaut haben."

Bruno Bardelas wurde von seinem Verein, dem FC St. Gallen, nach den Vorfällen entlassen. Dass Vereine in der Regel eine klare und offenbar andere Sichtweise haben als einige Spieler, zeigt Tim Reichert, Chief Gaming Officer vom FC Schalke 04: "Auf dem Rasen oder an der Konsole: Wir als Verein legen großen Wert auf Fairness. Unser gemeinschaftliches Ziel ist der sportliche Erfolg. Dabei wollen wir aber niemals die Werte verletzen, die den FC Schalke 04 ausmachen. So haben wir es auch in unserem Leitbild festgehalten."

Vorbild Profi

Reichert spricht noch eine ganz andere Problematik der Situation an: "Wir wollen die Gesellschaft auf diese junge Sportart aufmerksam machen und sie für den eSport sensibilisieren, doch auch die Spieler müssen sich ihren Status vor Augen führen: Man sollte nicht vergessen, dass eSport-Profis auch eine Vorbildfunktion erfüllen. Sie erreichen eine junge Zielgruppe und leben dieser ein bestimmtes Denken und Handeln vor."

Gerade dieser Rolle seien einige Profis nicht nachgekommen. So gilt es als normal, einem Bekannten mal einen Sieg zu schenken, wenn es für den Gönner um nichts mehr geht. Auch auf den sozialen Medien redeten einige Profispieler die Vorfälle klein. "Selbsternannte Pros tun sicherlich dem eSport einen großen Gefallen, wenn sie ihre Meinung für sich behalten", sagt Arslan von L4K, und auch Joshua Begehr von ESR hat eine klare Meinung: "Gerade die Stars sollten ihre Vorbildfunktion bezüglich Fairness und Sportsmanship wahrnehmen und dafür eintreten."

"Krasse Konsequenzen"

Wenn Cheating zu einem Kavaliersdelikt stilisiert wird, schaufeln sich die Profis ihr eigenes Grab.

Joshua Begehr, Director eSports, eSports Reputation

Mohammed Harkous ist selbst Profi und versucht zu erklären, wie es zu solchen Vorfällen kommt: "Es gibt an sich keine Absprachen, weil man den Gegner zufällig findet. Wenn man dann gegen einen Freund spielt, ist es schwer, gegen ihn zu gewinnen, wenn's für ihn um was geht." Harkous setzt fort: "Ich finde es besser, wenn man in der ersten Minute rausgeht, als wenn man auf scheinheilig zehn Prozent gibt und extra verliert, wie es auch passiert ist."

Allerdings weiß der Profi um die Regelwidrigkeit: "Manchen ist noch nicht bewusst, dass FIFA ein bisschen professioneller geworden ist, aber es gab ja auch krasse Konsequenzen. Ich glaube nicht, dass es sich nochmal jemand traut." Nach dem Last Chance Wochenende scheint EA SPORTS allerdings noch eine Menge Spieler nachträglich disqualifiziert zu haben.

Auch Alexander 'Bono' Rauch, Profi beim SV Wehen Wiesbaden, ist ungehalten über die Vorgänge: "Kurz und knackig: Betrug am fairen Sportsgeist. Der ist auch nicht verhandelbar", sagt er und nimmt auch EA SPORTS in die Pflicht: "Dieses Problem ist nicht simpel zu lösen, technisch gibt es schlicht zu viele Schwachstellen, um derartiges Vorgehen ausschließen zu können, so ganz wird es wohl auch nie gelingen." Ebenso fordert der FC Schalke EA SPORTS: "Wir sehen auch die Spielehersteller in der Verantwortung, solche Aktionen zu unterbinden und zu sanktionieren."

Joshua Begehr ergänzt: "Wenn Cheating zu einem Kavaliersdelikt stilisiert wird, schaufeln sich die Profis ihr eigenes Grab. Auch EA ist gefordert, endlich Vorkehrungen zu treffen, dass Cheating unmöglich wird." Die Vorgänge vom Last Chance-Wochenende werden sicher noch eine Weile nachhallen und Spielehersteller und Vereine weiter beschäftigen. Daniel Luther, Experte für Vereine und den eSport ist allerdings guten Mutes: "In diesem Spannungsfeld braucht es die richtigen Entscheidungen und Vorbilder, ich bin zuversichtlich, dass die Spieler und Verantwortlichen diese Hürde überspringen."

Es ist also Zeit zu handeln, denn hunderttausende Euro Preisgelder ausloben und namhafte Sponsoren für den FIFA-eSport gewinnen, das geht nicht einher mit Betrügereien.

Holm Kräusche

Stadien und Spieler - erste Bilder zur WM-Version