eSport

SimRacing: Von Nischensport und Leidenschaft

Rennsport-Profi Julian Kunze stellt die Szene vor

SimRacing: Von Nischensport und Leidenschaft

Die virtuelle Rennsport-Szene erklärt.

Die virtuelle Rennsport-Szene erklärt. RaceRoom

Noch drei Sekunden bis zum Start, angespannt wartet Julian Kunze in seinem Rennsitz. "Jetzt bloß keinen Fehler machen", denkt sich der 25-Jährige. Immerhin geht es um die Meisterschaft. Der Motor heult auf und es geht los: Das Finale der KTM X-Bow eSport Trophy ist offiziell gestartet. Es ist nicht das erste Rennen, an dem Julian teilnimmt. Seit mehr als fünf Jahren fährt er nun schon aktiv in der SimRacing-Szene. SimRacing ist die englische Kurzform und steht für Simulationsrennsport. Anstatt in echten Wagen über den Asphalt zu heizen, machen Fahrer in einer virtuellen Umgebung die Strecken unsicher. Die Szene versteift sich aber nicht nur auf eine Simulation: Die KTM X-Bow eSport-Trophy wird in dem Free-to-play-Titel RaceRoom ausgetragen. Ansonsten kommen auch Simulationen wie iRacing, RaceRoom, Assetto Corsa und Project Cars zum Einsatz. Angefangen hat Julian schon vor vielen Jahren, Need for Speed und Gran Turismo waren im Kindesalter seine ersten Titel, bevor er dann 2012 zum SimRacing kam. Seine guten Leistungen brachten ihm am Ende einen Vertrag beim Werksteam von Euronics Gaming ein.

zum Thema:

SimRacing ist Herzenssache

Wer sich erfolgreich in der SimRacing-Szene positionieren möchte, muss im Vorfeld einige Euro investieren, wie uns Julian erklärt: "Die Fahrzeuge lassen sich mit einem Controller äußert schwierig steuern. Deswegen wird ein Lenkrad als Eingabegerät verwendet." Das kann dann gerne zwischen 50 und mehreren hundert Euro kosten. Ein Rennsitz geht dann schon in den Tausender-Bereich. Eine enorme Investition, denn Preisgeld ist in der SimRacing-Szene rar. Während gängige eSport-Titel wie League of Legends oder Dota 2 mehrere Millionen US-Dollar im Jahr ausschütten, gibt es beim virtuellen Rennen häufig nur Sachpreise zu gewinnen. SimRacing ist eine pure Herzenssache. Einmal im Jahr gibt es aber den großen Höhepunkt: Die SimRacing-Expo. Jährlich im September präsentieren internationale Aussteller ihre neuesten Simulatoren. "Das Highlight ist ein K.o.-Turnier, bei dem sich die SimRacer messen", erzählt Julian. Ansonsten haben die meisten Simulationen ihre eigene Weltmeisterschaft wie zum Beispiel iRacing. Der Titel bietet gleich drei verschiedene Weltmeisterschaften an und verspricht insgesamt über 10.000 US-Dollar Preisgeld. Wer dort mitfahren will, muss aber einiges auf dem Kasten haben: Ein guter SimRacer muss vieles können, wie Julian uns erklärt. Grundvoraussetzung ist vor allem eine "Kombination aus Fahrgefühl und Setupwissen". Im Vergleich zu den Weltmeisterschaften ist die KTM X-Bow eSport Trophy, bei der Julian Kunze momentan mitfährt, nur Nebensache.

Das Potenzial ist da

Dort fährt Kunze für mehr als nur den Ruhm: Den ersten Platz erwartet eine Reise zum Red Bull Ring nach Österreich, wo er in einem echten KTM X-Bow über die Strecke brettern darf. Da kann man schon mal aufgeregt sein, wenn man gegen mehr als 1.500 andere Teilnehmer antritt. Auch bei der Mercedes AMG Online Race Competition im vergangenen Jahr gingen über 11.000 Leute an den Start - und trotzdem ist SimRacing noch immer ein Nischensport. "SimRacing hat das Potenzial deutlich mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. Es ist extrem spannend und wird nicht durch Entwicklungskosten der einzelne Hersteller bestimmt", erzählt Julian zuversichtlich. "Die Szene hat sich in den letzten Jahren aber positiv entwickelt. Die Turniere werden mehr, die Zuschauerzahlen höher und wir hoffen, dass demnächst auch größere Sponsoren einsteigen."

Julian Kunze (li.) mit seinen Teamkollegen André Santos (m.) und Etienne Bruns (re.).

Julian Kunze (li.) mit seinen Teamkollegen André Santos (m.) und Etienne Bruns (re.). Euronics Gaming

Doch genau da ist das Problem: Die SimRacing-Szene wirkt noch immer chaotisch und nur wenig attraktiv für Sponsoren. Viele Fahrer organisieren sich über Facebook und Internetforen – eine gebündelte Anlaufstelle gibt es nicht. Zusätzlich scheinen die Turniere nur wenig attraktiv, da die meisten Fahrer noch immer in ihrem Schlafzimmer sitzen und von dort fahren. Auch die Preisgelder sind wenig eindrucksvoll. Trotzdem zeichnet sich ein Trend ab: Mit dem VISA Vegas eRace fand im Januar das größte SimRacing-Turnier aller Zeiten statt. Insgesamt traten 20 FIA Formula E-Fahrer gegen 10 SimRacer um ein Preisgeld von 1 Million US-Dollar an – ein Meilenstein in der Geschichte des Racing-Genres. Auch in den nächsten Monaten stehen weitere große Turniere für die SimRacing-Szene an – wie zum Beispiel die Formula SimRacing, die in den kommenden Tagen in die nächste Saison geht. Mit Aussichten wie diesen, könnte die Szene bald mehr als nur ein Nischensport sein.

Kristin Banse