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SCII: Wenn ein falscher Klick das Spiel entscheidet

Rückblick auf einer der spannendsten Partien aller Zeiten

SCII: Wenn ein falscher Klick das Spiel entscheidet

Manche Begegnungen sind für die Ewigkeit. So auch das Duell zwischen 'HuK' (li.) und 'NaNiwa' bei der MLG 2012.

Manche Begegnungen sind für die Ewigkeit. So auch das Duell zwischen 'HuK' (li.) und 'NaNiwa' bei der MLG 2012. kicker eSport

Loranger und Lucchesi gehörten Anfang 2012 in StarCraft II noch zu den erfolgreichsten Profis in der Szene außerhalb Südkoreas und traten regelmäßig in wichtigen Wettbewerben gegeneinander an. Dementsprechend hitzig und aufregend waren ihre Spiele – und auch die Wortgefechte abseits des virtuellen Schlachtfelds. Mittlerweile haben 'NaNiwa' und 'HuK' das Kriegsbeil begraben und bezeichnen ihr Verhältnis sogar als "freundschaftlich". Davon war bei der MLG noch nichts spüren. Dafür waren die beiden einfach zu große Konkurrenten in einer Szene, die sich zu dieser Zeit noch großer Popularität erfreute. In Zeiten, als die World Championship Series noch nicht existierte, war die Major League Gaming eines der größten Highlights im Kalender eines jeden StarCraft II-Fans. Deshalb war ein gutes Abschneiden auch immer wichtig für jeden Profi.

Duell im Losers Bracket

Durch zahlreiche Aufeinandertreffen kannten sich die beiden StarCraft-Spieler bereits gut und standen sich in der MLG in der siebten Runde des Verlierer-Brackets erneut gegenüber. Damals konnten die Koreaner ihre Übermacht ungehindert ausspielen, da es noch keine Beschränkungen für Teilnehmer aus Übersee gab. Entsprechend hätte eine weitere Niederlage für 'HuK' und 'NaniWa' das Aus bedeutet. Obwohl es so ein prestigereiches Duell war, fand das Spiel nicht auf der großen Haupttribüne statt. Der Spannung tat das keinen Abbruch – im Gegenteil. Durch die Gegebenheiten vor Ort saßen sich 'HuK' und 'NaniWa' unmittelbar gegenüber, praktisch Kopf an Kopf. Direkt hinter ihnen standen die jeweiligen Fan-Lager, die leidenschaftlich mitfieberten und teilweise sogar mitgenommener aussahen als die Spieler selbst. Die Stimmung war elektrisierend.

Denkwürdiger Zweikampf

Chris 'HuK' Loranger gehörte zu den besten Spielern außerhalb Südkoreas, mittlerweile ist er inaktiv.

Chris 'HuK' Loranger gehörte zu den besten Spielern außerhalb Südkoreas, mittlerweile ist er inaktiv. Teamliquid.net

Der Kanadier Loranger ging mit 1:0 in Führung. 'NaNiwa' war dementsprechend in Zugzwang und musste aufgrund des Best-of-3-Modus unbedingt nachlegen. Verlieren konnte der temperamentvolle Schwede ohnehin noch nie. Nachdem beide Spieler ihre Produktion gegenseitig zerstörten, waren sie auf ihre letzten Einheiten angewiesen. Von hier an ging es nur noch um reines Micro Management, also das Kontrollieren der eigenen Streitkräfte. Auf der Seite des Skandinaviers stand lediglich ein geschwächter Stalker, der aber dank seiner Reichweite theoretisch jede Nahkampf-Einheit ausmanövrieren konnte. Auf der anderen Seite befanden sich zwei unbewegliche Zealots sowie ein Arbeiter, der vergeblich versuchte noch weitere Ressourcen zu ernten.

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Nervenaufreibende Jagd

'HuK' wollte das Unvermögen seiner Einheiten durch sein Micro Management kompensieren. Er bewegte seine schwerfälligen Berserker geschickt umher und versuchte so die Schritte des viel schnelleren Stalkers vorherzusehen, der sich in seiner eigenen Basis aufhielt und seinen letzten Arbeiter bedrohte. Was dann folgte, war eine lange nervenaufreibende Jagd zwischen den einzelnen Einheiten. Mehrmals war der Stalker bis auf wenige Lebenspunkte geschwächt. Weil Protoss-Einheiten nach gewisser Zeit ihre Schilde jedoch neu aufladen, blieb Lucchesi im Rennen – wortwörtlich. Er selbst musste aber das Spiel zeitnah beenden, weil er keinen einzigen Arbeiter mehr in seinen Reihen hatte und auch keine Mittel zur Verfügung hatte, um diese neu zu produzieren. 'HuK' hingegen hatte die Möglichkeit durch den letzten überlebenden Arbeiter seine Ökonomie anzukurbeln. Deshalb musste 'NaNiwa' nicht nur die beiden Zealots in Schach halten, sondern darauf achten, dass der Gegner keine weiteren Mineralien abbauen und keine weitere Arbeiter produzieren könnte.

Viele Skandale überschatteten die Karriere von Johan 'NaNiwa' Lucchesi, sein Skill blieb jedoch unbestritten.

Viele Skandale überschatteten die Karriere von Johan 'NaNiwa' Lucchesi, sein Skill blieb jedoch unbestritten. MLG

Das gelang ihm zunächst außerordentlich gut und zusätzlich gelang es ihm sogar, einen Zealot zu zerstören. Alles sprach nun für ihn. Dann zeigte der damals 22-Jährige jedoch Nerven: Unbedingt wollte er den gegnerischen Arbeiter erwischen und ließ sich zu einem folgenschweren Fehler hinreißen. Als ihm Loranger die Gelegenheit bot, seinen Arbeiter zu attackieren, wollte er sofort zuschlagen. Dabei ließ er sich aber in eine Ecke drängen, aus der sein Stalker nicht mehr herauskam und zu viel Schaden durch den letzten Zealot nahm. Ein eklatanter Micro-Fehler, der das Spiel beendete und sein Turnier-Aus besiegelte. 'HuK' riss erleichtert die Hände in die Luft, während seine Fans hinter ihm in totale Ekstase ausbrachen. 'NaNiwa' stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben und er richtete seinen Blick geknickt nach unten, als könne er nicht mehr auf den Bildschirm schauen, auf dem sich wenige Momente zuvor bis heute unvergessliche Szenen abspielten.

Lars Becker