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Eine Zeitreise zu den Ursprüngen des eSports: Die CPL Dallas

Ein eSport-Veteran erinnert sich

Eine Zeitreise zu den Ursprüngen des eSports: Die CPL Dallas

Die Anfänge des eSport, damals noch mit Röhrenmonitor und LAN-Party-Flair.

Die Anfänge des eSport, damals noch mit Röhrenmonitor und LAN-Party-Flair. Liquipedia

Es gab mal eine Zeit rund um die Jahrtausendwende, da musste man, um "richtig großen" eSport erleben zu können, bis nach Dallas (Texas) zur Cyberathlete Professional League (CPL) fliegen. Diese fand in der Regel im feinen Hyatt Regency Hotel statt und war Anfang des Millenniums "the place to be" für den weltweiten eSport. Es gab vor Ort eine Bring-your-own-Computer-Area, vergleichbar mit einer LAN-Party. Zusätzlich gab es einen professionellen Spielbereich, in dem die besten Counter-Strike-Teams der Welt gegeneinander antraten.

Das Preisgeld war damals bereits im unteren sechsstelligen Dollarbereich angesiedelt und somit recht ansehnlich. Schon seit 1997 existierten die ersten wichtigen Organisationen in "wettkampforientierten Multiplayerspielen", wie der heutige eSport damals genannt wurde. Die beiden halbjährlich stattfindenden CPL-Veranstaltungen "Winter" und "Summer" verkörperten das Epizentrum der Counter-Strike-Community. Das Spiel CS galt zu Beginn des 21. Jahrhunderts, spätestens seit der Version 1.6, weltweit als einer der wichtigsten eSport-Titel.

Egal ob Teams mit deutschem Management wie MTW, SK Gaming oder Mousesports, die schwedischen Ninjas in Pyjamas, gegründet von 'Potti' und 'HeatoN', oder Team9 rund um 'Vesslan', 'Xeqtr' und 'Quick', das englische Team 4Kings, das beste norwegische Team eoL mit seinem Star elemeNt oder das beste brasilianische Team Made in Brasil - alle hatten nur ein Ziel: Einmal die CPL Winter oder Summer gewinnen!

Genre-Größen zum Anfassen

Die CPL in Dallas: Zu sehen am ersten Röhrenmonitor ist 'HeatoN', am dritten 'XeqtR'.

Die CPL in Dallas: Zu sehen am ersten Röhrenmonitor ist 'HeatoN', am dritten 'XeqtR'. SK Gaming

Über die CPL liefen sogar Gaming-Urgesteine wie John Romero, Porsche-Liebhaber und einer der Entwickler von Quake, der weltweite Marketingleiter von Intel und Playmates mit hoher eSport-Affinität. Die Inszenierung war aber noch weit weg von modernen eSport-Events, es wurde sich auf das Wesentliche beschränkt. Die gesamte Veranstaltung wirkte mit den Hotelstühlen und -tischen, auf denen gespielt wurde, in den Konferenzräumen des Hyatts mehr wie ein Gaming-Kongress als eine große eSport-Show.

Streng wurde darauf geachtet, dass mit Röhrenmonitoren gespielt wurde, da diese die bestmögliche Wiederholungsfrequenz und die schnellsten Reaktionszeiten ermöglichten. Kaum noch vorstellbar heute.

Der Modus, der gespielt wurde, war doppeltes-K.o.-System und via Half-Life TV und IRC wurden die Spiele in alle Welt übertragen. Die Rahmenbedingungen waren aus Spielersicht bereits recht gut, für die Zuschauer dagegen noch vorsintflutlich. An TV-Übertragungen oder Livebilder von der Veranstaltung war wegen der überschaubaren Internetbandbreite und der nahezu unbezahlbaren Technik kaum zu denken.

Ganz andere Übertragungstechnik

2003 waren Übertragungswege noch nicht so weit entwickelt und man musste sich selbst helfen. Von Zuhause konnte man entweder in einigermaßen passabler Grafik im Spectatormodus von Counter-Strike das Spiel miterleben, indem man sich auf den Internetserver einklinkte und die Ingameszenen live ansah. Für die richtigen CS-Geeks gab es dann noch den Shoutcast von TSN, den man gleichzeitig laufen lassen konnte und somit Bild und Ton zumindest der aktuell laufenden Spiele sehen konnte.

Alternativ loggte man sich ins QuakeNet ein, ein Netzwerk im Chatsystem IRC, und fand dort (meistens) das Spiel von seinem Team. Man erhielt einen Tickerbot, in dem sowohl der Gewinn der Runde getickert wurde, ebenso wer gerade in der Runde ausgeschieden war, wann die Bombe gelegt wurde und so weiter. Obwohl weit weg von den heutigen Möglichkeiten, war es auch aus großer Entfernung möglich und oft sogar hochspannend, ein Spiel zu verfolgen, vergleichbar in etwa mit dem Stand der Radioübertragungen bei der Fußballweltmeisterschaft 1954.

Legendär aus deutscher Sicht war sicherlich die Situation, in der das Team von Mousesports rund um Anführer Roman R. auf der Karte Nuke die dritte Runde gegen SK holte - die erste Runde hatten sie verloren und somit auf Grund der folgenden Sparrunde die schlechtere Ausgangsposition. Die amerikanischen Shoutcaster von TSN konnten sich kaum halten. 3.600 Zuschauer sahen damals schon live auf HLTV zu.

Mousesports war in dieser Zeit der beste deutsche Vertreter und häufig gelang es Mouz, sowohl bei der CPL wie auch international, dritte Plätze zu sichern. Meist jedoch waren Teams wie SK Gaming mit schwedischen Spielern dominant, da sie bereits damals Breitbandinternetanschlüsse zu Hause hatten, von denen einige in Deutschland auch heute immer noch nicht zu träumen wagen.

Blick über die Schulter statt Twitch-Stream

Und auch vor Ort waren die Attraktionen für die Zuschauer eher dürftig. Mit viel Wohlwollen wurde für die Endrunden ein Beamer angeschlossen, der wacklig das Spiel übertrug. Die Turnierbäume konnten an zwei Rechnern eingesehen und verfolgt werden. Die Zuschauer standen in der Regel hinter den Teams und sahen ihnen über die Schulter - das reichte damals aus und war für die wenigen Gäste ein absolutes Highlight.

Die CPL war alles andere als ein Zuschauer-Event und nicht vergleichbar mit den Arenen, die Riot Games und Valve heute füllen. Nichtsdestotrotz war schon damals der eSport-Spirit erfahr- und erlebbar. Eine Reise nach Dallas hatte jedem Fan, solange das favorisierte Team auch weit genug kam, das eSport-Erlebnis gegeben, das er sich wünschte: eSport auf dem höchsten professionellen Level!

Finanzielle Unregelmäßigkeiten führen zum Aus

Die CPL war nach der Jahrtausendwende das wichtigste eSport-Turnier der Welt.

Die CPL war nach der Jahrtausendwende das wichtigste eSport-Turnier der Welt. CPL

Gegründet hat die CPL 1997 Angel Munoz, ein ehemaliger Investmentbanker. Problematisch: Munoz verwehrte gerne mal Teams die Auszahlung des Preisgeldes mit der fadenscheinigen Begründung, dass die Formulare falsch ausgefüllt wurden. Grund dafür - fünf Mal war dieselbe Emailadresse eingetragen. Aus Team-Managementsicht die beste Möglichkeit, jeden Spieler fair zu bezahlen. Das blieb nicht die einzige Ungereimtheit der CPL, weshalb sich auch der ein oder andere namhafte Sponsor von der Veranstaltung verabschiedete. Letztlich führte genau das zum Genickbruch der CPL.

Dennoch war die CPL eines der allerersten professionellen eSport-Events und hatte sogar weltweite Franchise-Ableger. Ohne das Missmanagement wäre sie vermutlich immer noch eines der bedeutendsten eSport-Turniere. Damals galt jedenfalls: Richtigen eSport konnte man wirklich nur in Dallas erleben.

Thorsten Zippan ist Mitgründer des eSport Studios, das für die redaktionellen Inhalte auf kicker eSport zuständig ist. Er selbst ist seit 1997 im eSport tätig und war mehrmals auf den CPL Events in Dallas, häufig in seiner damaligen Funktion als Marketing Direktor von Mousesports.

Thorsten Zippan