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Interview mit einem Pokémon-Meister

So trainiert man professionell Pokémon

Interview mit einem Pokémon-Meister

Markus '13Yoshi37' Stadter ist Pokemon-Meister.

Markus '13Yoshi37' Stadter ist Pokemon-Meister. kicker eSport

Markus '13Yoshi37' Stadter tritt in die Fußstapfen von Ash Ketchum, denn er ist professioneller Pokémon-Trainer. Bewaffnet mit seinem Gameboy fliegt er rund um die Welt und spielt gegen andere Trainer um Preisgeld, Ehre und den Titel 'Pokémon-Meister'. Wir haben ein Interview mit dem 21-jährigen Psychologie-Studenten geführt und rausgefunden, wie er in die Szene gerutscht ist, wie er sich für die kommenden Meisterschaften vorbereitet und wie er die Zukunft des ungewöhnlichen eSport sieht.

kicker eSport: Hallo Markus Stadter! Du bist deutscher Pokémon-Meister von 2014 und hast letztes Jahr die UK-Meisterschaften gewonnen. Wie wird man professioneller Pokémon-Trainer?
Markus Stadter: Die erste Edition, die ich je gespielt habe, war die Blaue bei meiner Nachbarin, da war ich vielleicht sechs oder sieben. Zu meinem achten Geburtstag wollte ich mir dann den neuen Gameboy Advance wünschen, damit ich auch zuhause spielen kann. Allerdings waren meine Eltern dagegen. Schlau wie ich war, habe ich mir dann aber schon mal die silberne Edition auf einem Flohmarkt gekauft - dann mussten sie mir den Gameboy schenken, da ich sonst nicht hätte spielen können. Hat mich dann auch direkt gefesselt und von da an habe ich jedes neue Spiel immer direkt gekauft und durchgespielt, später dann auch mit Freunden gekämpft und getauscht und habe irgendwie nie damit aufgehört.

kicker eSport: Du warst ja offenbar deutlich ehrgeiziger als dein damaliger Freundeskreis. Wie bist Du dazu gekommen, auf höherem Niveau Pokémon zu spielen?
Markus Stadter: Also ich glaube ich bin allgemein einfach so eingestellt, dass ich aus allem gerne einen Wettkampf mache und mich mit anderen messen möchte. Sei es früher im Schulsport, mit der Familie beim Monopoly oder eben auch mit den Freunden bei Pokémon. Irgendwann war ich dann in dem Alter, in dem Pokémon in meinem Freundeskreis eher 'uncool' war und dann musste ich mich zwangsweise nach anderen Leuten umschauen, gegen die ich spielen konnte. Das Internet und der Nintendo DS kamen da sehr gelegen, da man dadurch dann über WiFi gegen Leute von überall auf der Welt antreten konnte. Ich habe da einfach gegoogelt, was für versteckte Tricks es zum Beispiel im Spiel gibt, um seine Pokémon noch stärker zu trainieren und da bin ich dann auch auf ein Forum gestoßen, in dem regelmäßig Turniere veranstaltet wurden. Da hab ich mich dann 2007 angemeldet und 2008 mein erstes Turnier mitgespielt.

kicker eSport: Wie läuft so ein Pokémon-Kampf überhaupt ab?
Markus: Also, man spielt auf der aktuellsten Handheld-Konsole von Nintendo und immer das aktuellste Pokémon-Spiel. Momentan ist das der 3DS und die Spiele Omega Rubin/Alpha Saphir. Das sind die Remakes von Rubin/Saphir, die vor über 10 Jahren rauskamen. Die offiziellen Regeln verbieten bestimmte Pokémon oder Items. Außerdem wird immer im Doppelkampf gespielt, das heißt pro Team kämpfen zwei Pokémon gleichzeitig. Ein Team besteht aus sechs Pokémon und zum Kampf nimmt dann jeder vier mit, nachdem er sich die sechs vom Gegner anschauen durfte. Man hat also die Möglichkeit dazu, andere Strategien in bestimmten Match-Ups zu wählen und sie innerhalb eines "Best of Three"-Sets anzupassen. Geändert werden darf am Team während eines Turniers nichts mehr und man trainiert sich seine Pokémon zu Hause.

kicker eSport: Was macht diese Kämpfe dann interessant? Worin liegt die Komplexität?
Markus: Also zuerst mal ist es rundenbasiert, wie Hearthstone, sodass es jetzt nicht darauf ankommt, wer am schnellsten Klicken kann. Man hat 45 Sekunden, um über den nächsten Zug nachzudenken – das Match ist dabei auf 15 Minuten festgelegt. Anders als beim Schach gilt der Timer hier aber für beide. Dann hat das Spiel eine unglaubliche Offenheit, die eine Menge Kreativität zulässt. Es gibt über 700 Pokémon, die man einsetzen darf und jeder Spieler überlegt sich sein ganzes Team selbst. Zwar gibt es auch bekannte Team-Kompositionen, die kopiert werden, aber jedes Team hat irgendeine Schwachstelle. Und dann kann man mit guten Ideen in der Pokémon-Auswahl eine Menge machen. Auch im Kampf selbst kommt es dann nicht nur darauf an, die eigene Strategie durchzuziehen, sondern man muss sich ständig in den Gegner hineinversetzen und überlegen, was dieser als nächstes machen könnte. Man muss sich außerdem das getragene Item, die vier Attacken seines Pokémons und seine passive Fähigkeit überlegen und hat dann auch noch die Möglichkeit, die Werte der Pokémon, um ein gewisses Maß zu steigern. Dadurch kommen dann natürlich auch nochmal eine Menge Möglichkeiten rein.

kicker eSport: Ist Pokémon in der Hinsicht mit einem anderen eSport-Titel vergleichbar?
Markus: Ja, es gibt durchaus ein paar Elemente, die sich auch in anderen Spielen wiederfinden, aber dieses rundenbasierte gleichzeitige Ziehen ist ziemlich einmalig (Anm.d.Red.: In Pokemon wählen beide Spieler ihren Spielzug gleichzeitig aus.) Man muss also nicht nur den besten Zug finden, sondern den besten Zug in Abhängigkeit davon, was der Gegner jetzt macht. Wechselt er vielleicht aus? Schützt er sich? Wäre es also vielleicht besser, wenn ich sein anderes Pokémon angreife? Fast jede Attacke hat noch einen Nebeneffekt, der mit einer bestimmten Chance eintrifft. So können Attacken zu 6,25% einen Volltreffer landen und somit anderthalbfachen Schaden verursachen. Andere Fähigkeiten machen Statuseffekte, sodass man vielleicht nicht mehr angreifen kann! Da muss man schon eine Menge berücksichtigen und mit einkalkulieren, da es über kurz oder lang wahrscheinlich ist, dass so etwas eintritt. Kommt also durchaus schon einmal vor, dass ein Spiel nur durch Glück entschieden wird, allerdings gibt es eine Menge guter Beispiele dafür, dass man sich auch mit Pech durchsetzen kann oder dass sich der gleiche Spieler auch über mehrere Jahre hinweg konstant in Turnieren zeigt.
kicker eSport: Das sind natürlich eine Menge Variablen. Aber die besitzt Hearthstone ja auch.
Markus: Ja, da sind die halt anders verteilt. Und da weiß man in der Regel auch genau, welche Karten man gerne ziehen möchte und ist dann quasi dem Schicksal ein Stück weit ergeben. Aber ja, Wahrscheinlichkeitsoptimierung ist am Ende schon so das magische Wort.

kicker eSport: Das trennt ja den Profi im Endeffekt auch vom Gelegenheitsspieler. Wenn Glück zur Gewohnheit wird ...
Markus: So sieht's aus!

kicker eSport: Wie bleibt das Spiel dynamisch?
Markus: Dadurch, dass das Konzept von Pokémon so dynamisch ist und man auf alle Meta-Strömungen entsprechend reagieren kann, sieht man immer eine gewisse Vielfalt an Teams. Gebalanced wird da nichts, aber man kann sich zu jeder Team-Komposition einen Konter überlegen, egal wie abgefahren der ist. Dann muss man halt versuchen die Balance, zwischen den Pokémon, die auf dem Papier am Stärksten sind und seinen eigenen Ideen gegen häufige Team-Zusammenstellungen, zu finden.

kicker eSport: Wo siehst Du Pokémon als eSport momentan und in der Zukunft?
Markus: Pokémon spricht schon einen sehr spezifischen Markt an und die ganz großen Preise kann man damit auch nicht gewinnen. Wen das Spiel an sich nicht fasziniert, der verliert schnell seine Freude daran, denke ich. Da jetzt die Leute, die von Anfang an dabei waren, ein gewisses Alter erreichen, in dem Studium oder Arbeit einen wichtigen Teil des Lebens einnimmt, wird es bestimmt eine Herausforderung sein, in den nächsten Jahren neue Menschen an das Spiel heranzuführen. Aber Pokémon Sonne und Mond stehen ja schon in den Startlöchern, sodass ich mir sicher bin, dass der ein oder andere das mal überlegt, über den Tellerrand hinaus zu schauen und die Möglichkeiten des Spiels in einem kompetitiven Milieu zu entdecken. Streamingmäßig kann Pokémon auch noch weiter ausgebaut werden, aber da kam jetzt die Ankündigung, dass die EU Nationals zum ersten Mal einen von Pokémon selbst produzierten Stream haben werden.

kicker eSport: Dann bedanken wir uns für das Interview und wünschen dir viel Glück bei den kommenden Meisterschaften!
Markus: Vielen Dank!

Wer jetzt neugierig geworden ist, kann sich die nächsten Wochenenden, am 14.-15. Mai, am 21.-22. Mai und am 11.-12. Juni, die großen Nationalmeisterschaften auf Twitch.tv oder Pokémon.de angucken. Dieses Wochenende wird auch Markus Stadter den Stream moderieren und Einblicke in die taktische Tiefe des eSport gewähren. Für wen Englisch keine Barriere ist, der kann sich auf Markus' Youtube-Channel seine Trainingseinheiten und VLogs von internationalen Events anschauen.

Marius Wartenberg