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Wohin orientiert sich Heroes of the Storm?

Wie der Blizzard-Titel zwischen den Stühlen steht

Wohin orientiert sich Heroes of the Storm?

Zwischen Casualspiel und eSport: Blizzards Heroes of the Storm.

Zwischen Casualspiel und eSport: Blizzards Heroes of the Storm. Blizzard Entertainment/kicker eSport

Wer kennt es nicht? Den Nervenkitzel, wenn kein Team mehr einen Fehler machen darf, sein Lieblingsspieler in einer brenzligen Situation steckt und schließlich mit einem besonderen Manöver sein Team doch noch zum Sieg führt. Das sind die Momente, die Sport und eSport spannend machen und einem auch noch nach Jahren im Kopf bleiben. Während League of Legends und Dota 2 zahlreiche solcher Geschichten, wie zum Beispiel Enrique 'xPeke' Cedeño Martínez' Backdoor gegen SK Gaming oder Gustav 's4' Magnussons "1 Million Dollar Dreamcoil", im Repertoire hat, fehlen diese dem Newcomer Heroes of the Storm komplett – die Frage ist nur: Warum?

Simple Fähigkeiten und linearer Spielablauf nehmen die Spannung

Blizzard selbst hatte sich bisher kaum dazu geäußert, wie tiefgehend sie Heroes als eSport etablieren wollen – dabei wird das bei ihrer Vorgeschichte mit StarCraft 2 und Warcraft 3, die über Dekaden hinweg etablierte Wettbewerbstitel sind, durchaus erwartet. Während Heroes, nach der Aussage des langjährigen Blizzard-Mitarbeiters Chris Sigaty, durchaus als kompetitives Spiel gedacht sei, wolle Blizzard es trotzdem nicht forcieren und die Community darüber entscheiden lassen, ob es eSport-tauglich ist. Nach dem Erfolg mit ihrem Event 'Heroes of the Dorm', das in Partnerschaft mit dem amerikanischen ESPN auch im Fernsehen übertragen wurde, schien Blizzard dann jedoch Blut geleckt zu haben. So gibt es auf ihrer Battle.net-Seite nun einen Zeitplan für alle kommenden Heroes-Turniere: Ganz egal kann es Blizzard also nicht sein.

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Dass Heroes allerdings in der Popularität nicht mit anderen MOBAs konkurrieren kann, sieht man deutlich an den Zahlen auf der Streaming-Plattform Twitch.tv. Die acht meistgestreamtesten Spiele werden auf der Startseite angezeigt – Heroes ist allerdings so gut wie nie dabei. Das hängt nicht nur mit Blizzards Organisation zusammen, sondern auch mit den Spielmechaniken an sich.

Da wäre zu allererst einmal die Level-Mechanik. In Heroes gibt es keine, wie in anderen MOBAs üblich, individuelle Level für jeden Spieler, sondern das Team steigt gemeinsam auf. Alle Teammitglieder haben somit die gleiche Stufe. Da Levels in Heroes die einzige zu erwirtschaftende Ressource sind, ist das Team, das sich einen Level-Vorteil erkämpfen kann also in der dominanten Situation. Besonders deutlich wird dies auf den Stufen, auf denen man seine ultimativen Fähigkeiten erhält. Wer zum Beispiel zuerst die Stufe zehn erreicht, hat nicht nur pro Held eine Fähigkeit mehr als der Gegner – es ist auch noch die stärkste Fähigkeit des jeweiligen Helden.

Im Zusammenhang mit dem zielorientierten Spielablauf von Heroes, in dem es häufig darum geht, wer zuerst bestimmte Bosse besiegen oder wer sich an aktivierbaren Schreinen durchsetzen kann, entsteht so schnell ein sogenannter Schneeballeffekt. Demnach baut das Team, das ohnehin schon vorne liegt, seinen Vorteil stets weiter aus. Während es in Dota 2 oder League of Legends immer weitere Mechaniken, wie strategische Item-Builds oder das sogenannte Split-Pushing gibt, die ein Defizit ausgleichen können, fehlen diese in Heroes of the Storm komplett.

Reduzierte Spielmechaniken machen den Einstieg leichter

Dieser lineare Spielablauf hat natürlich auch Vorteile: Die durchschnittliche Spieldauer von Heroes liegt zwischen 15 und 20 Minuten – damit ist Heroes wesentlich ansprechender für Leute, die nur die sprichwörtliche 'Runde für zwischendurch' spielen wollen. Der Titel ist schnell aufzugreifen und zu verstehen, denn neue Spieler müssen sich mit nichts anderem auseinandersetzen, als mit ihrem Helden und den zu erobernden Punkten.

Kämpfe entweder einseitig oder langgezogen

Mid- und Carry-Spieler sind die Stürmer der MOBAs.

Mid- und Carry-Spieler sind die Stürmer der MOBAs. kicker eSport

Auch wenn die Fähigkeiten in Heroes größtenteils eher simpel gehalten sind, werden sie durch das Talentsystem aufgewertet und geben dem Spieler eine Vielfalt an Möglichkeiten, sich dem Spielverlauf anzupassen. Doch gerade hier findet sich ein weiteres Problem: Weil die Fähigkeiten nicht durch Items verstärkt werden können, fehlt ihnen häufig der nötige Nachdruck. So ziehen sich Kämpfe häufig stark in die Länge, weil den Spielern der Schaden fehlt, um einen gegnerischen Helden den Gnadenstoß zu geben.

Das Skalieren von Helden ist ein fester Bestandteil von Dota 2 und LoL. Gerade die Mid- und Carry-Rollen, die meistens den größten Einfluss auf den Spielverlauf haben, sind bei den Spielern beliebt. Ähnlich wie ein Stürmer oder Mittelfeldspieler im Fußball, sind Mid- und Carry-Spieler am spannendsten anzuschauen, weil diese Rollen mit der Zeit immer stärker werden und so die eindrucksvollsten Spielzüge erlauben. So hat der Alliance Mid-Spieler 's4' im Jahre 2013 das International für sein Team sichern können, weil er sich alleine gegen das komplette Team Na'vi gestellt hatte. Durch den perfekten Einsatz seiner Fähigkeiten hatte er genügend Zeit für sein Team erspielt, damit dieses ungehindert das Spiel gewinnen konnte. In Heroes gibt es zwar vergleichbare Rollen, dennoch kommt es in den langen Kämpfen durch die simplen Fähigkeiten und ihren geringen Einfluss auf das Spielgeschehen selten zu ähnlichen 'Wow'-Momenten.

Das generelle Problem von Heroes' Zuschaueruntauglichkeit lässt sich also auf ihre Kämpfe zurückführen. Während Teamkämpfe in anderen MOBAs stets ein großes Highlight sind, weil sie eine imposante Mischung aus individuellem Talent und Teamarbeit darstellen, sind sie in Heroes meistens eine langwierige, schwunglose Angelegenheit.

Neue Helden machen das Spiel dynamischer

Chromie und Medivh verleihen Heroes mehr Tiefe.

Chromie und Medivh verleihen Heroes mehr Tiefe. Blizzard Entertainment

Wenn Blizzard Heroes zu einem erfolgreichen eSport-Titel machen möchte, ist es also unerlässlich, dass sie dem Spiel mehr strategische Tiefe verleihen. Mit den kommenden Helden Medivh und Chromie wird schon mal ein richtiger Schritt gegangen. Chromie bricht beispielsweise die Level-Struktur erstmals auf, denn sie erreicht früher als andere Helden ihre Talentpunkte. Sie ist somit früher stärker als andere Helden wodurch der Spielablauf direkt dynamischer wird. Gleichzeitig bringt der Held Medivh mit seinem Portal eine neue, starke Teamfähigkeit mit ins Spiel, die komplexe, strategische Manöver erlaubt. Auch das neue Ränge-System gibt den Spielern ein kompetitiveres Spielerlebnis. Blizzard scheint also auf dem richtigen Weg zu sein. Ob und welche Veränderungen Blizzard in Zukunft am Titel vornimmt, erfahrt Ihr hier bei uns, wenn es soweit ist.

Marius Wartenberg