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Lootboxen: Glücksspiel-Debatte könnte Zäsur bringen

FIFA, Gwent und Co.

Lootboxen: Glücksspiel-Debatte könnte Zäsur bringen

Glücksspiel oder nicht? Kartenpacks und Lootboxen in Videospielen.

Glücksspiel oder nicht? Kartenpacks und Lootboxen in Videospielen. kicker eSport

Lootboxen und Kartenpacks: Glücksspiel oder nicht? Das ist die Frage, die derzeit heiß debattiert wird. Länder wie Belgien, Frankreich und die Niederlande prüfen bereits, ob es sich bei diesen Spielinhalten um Glücksspiel handelt. Der Pulsschlag bei so manchen Entwickler und vor allem Publisher dürfe in die Höhe schnellen. Denn: Ein ganzes wichtiges Monetarisierungsmodell steht auf dem Spiel.

Lootboxen sind wie ein Überraschungs-Ei. Man weiß nie, was man kriegt. So ähnlich erklärt die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) ihre Entscheidung, Lootboxen nicht als Glücksspiel einzuordnen. "Als Glücksspiel gelten dem Gesetz nach Spiele, bei denen Spieler*innen gegen ein Entgelt eine Gewinnchance erwerben und der Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Lootboxen, die gegen ein Entgelt immer ein zufällig generiertes Item vergeben, gelten nach üblicher Auffassung bisher nicht als Glücksspiel", erklärt die USK in einer öffentlichen Mitteilung und weiter: "Die zufällige Auswahl von Gegenständen bei Lootboxen entspricht demnach Geschäftsmodellen, die Gewinnspielen oder sogenannten 'Ausspielungen bei denen der Gewinn in geringwertigen Gegenständen besteht' ähneln (z.B. Lose auf dem Jahrmarkt, das Sammeln von Panini-Bildchen oder Figuren aus Überraschungs-Eiern). Unproblematisch seien diese Inhalte dennoch nicht.

Allerdings gibt die USK auch zu, dass man mit dem Thema nicht ganz abgeschlossen hat. "Natürlich sind wir aber an einem möglichst umfassenden Schutz der Spieler*innen interessiert und die Sorge um mögliche negative Auswirkungen von Lootboxen auf Minderjährige lässt uns nicht kalt. Wir beraten uns derzeit intern, ob und wie sich das Thema jugendschutzpraktisch in unsere Arbeit integrieren lässt."

Ursprung in Free-to-play-Spielen - Im Vollpreissegment etabliert

Seinen Ursprung hat das Modell in Spielen, die kostenlos auf den Markt gebracht wurden und die sich dann über Ingame-Bezahlsysteme refinanzieren. Als Beispiele für solche Spiele können hierfür Gwent oder Hearthstone angeführt werden. In beiden Spielen stellt sich ein großer Teil der Einnahmen aus bezahlten Kartenfässern. Hier können die Spieler für unterschiedliche Festbeträge Kartenfässer kaufen oder sie erspielen. Letzteres dauert natürlich länger.

Doch mittlerweile hat sich das Modell auch in Vollpreistiteln wie FIFA, Star Wars Battlefront 2, Destiny 2, Mittelerde: Mordors Schatten, etc. etabliert. Das hat zu Protesten in der Spielerschaft geführt - und zwar primär aus zwei Gründen. So haben viele Spieler das Gefühl, dass Spiele so ausgestaltet werden, dass es dem Spieler als lukrativ erscheint, Geld in die Hand zu nehmen und Dinge zu kaufen, die einen voranbringen, weil die Alternative, ewig lange zu spielen, wenig attraktiv ist. Der zweite Grund wäre ein Pay-to-win-System, wie es z.B. in Star Wars Battelfront 2 angedacht war. Da wären Spieler, die per Zufall gute Karten aus teuren Lootboxen erhalten haben, klar im Vorteil im Vergleich zu Spielern, die das System nicht wollten und lediglich regulär spielen. Auch das Erspielen besagter Karten wurde so erschwert, dass es Stunden über Stunden gedauert hätte. Neben diesen beiden Punkten stören sich viele auch an der Tatsache, dass man bei Lootboxen nicht weiß, was man bekommt - und genau da stellt sich die Frage nach dem Glücksspiel.

Auf die Games-Branche könnte bald was zukommen

Hat eine klare Meinung: Diplom-Jurist Michael Scheyhing vom Gaming-Rechte-Blog Gameslaw.online.

Hat eine klare Meinung: Diplom-Jurist Michael Scheyhing vom Gaming-Rechte-Blog Gameslaw.online. Gameslaw

So bieten beispielsweise Spiele wie Overwatch Lootboxen an. Im Spiel können die Boxen mit Echtgeld gekauft werden. Zusätzlich bzw. alternativ bekommt man sie auch bei Level-Aufstieg. Wer jedoch mehr möchte, kann Geld investieren. Der Inhalt ist immer variabel. Im FIFA Ultimate Team-Modus können ebenfalls Kartenpacks mit sogenannten FIFA-Points gekauft werden. Diese lassen sich wiederum nur mit Echtgeld erwerben. In FUT kann man sich auch Packs erspielen, doch wer schnell möglichst gute Spieler in seinem Team haben möchte, greift schnell zum Bezahlsystem. FIFA hat dagegen Packs. EA hat für die Fußballsimulation dieses Bezahlprinzip perfektioniert und verdient auf diese Weise pro Jahr weit über eine halbe Milliarde Euro. Und um genau diese Einnahmen müssen EA & Konsorten nun bangen.

Derzeit prüft u.a. der belgische Justizminister Koen Geens ein Verbot solcher Inhalte, da die Verbindung von Gaming und Glücksspiel für Kinder schädlich ist, seien diese Inhalte zu prüfen. Spiele wie FIFA 18, Gwent oder Hearthstone haben keine Altersbeschränkung in Deutschland. Overwatch ist ab zwölf freigegeben und Star Wars: Battlefront 2 ab 16 Jahren. Die Pan European Game Information, kurz PEGI, stuft Gwent (PEGI 12) oder Hearhstone (PEGI 7) dagegen schon etwas höher ein. Kommt man zu dem Beschluss, dass es sich in der Tat um Glücksspiel handelt, dann würden alle Spiele, die Lootbox-Systeme enthalten, keine Jugendfreigabe mehr erhalten. Geens hat bereits erwähnt, dass dies auch eine Frage für die Europäische Union sei.

Auch die Tatsache, dass sich jetzt die USK in die Debatte einschaltet, zeigt, dass das Thema nun auch in Deutschland angekommen ist. Die Folgen könnten für die Branche durchaus verheerend sein, wie uns Diplom-Jurist Michael Scheyhing, vom Gaming-Recht-Blog Gameslaw erklärt. "Es würde enorme Umsatzeinbußen mit sich bringen, wenn das System der Lootboxen insgesamt verboten würde. Aktuell setzt der Markt der sogenannten Mikrotransaktionen mehr um, als der Verkauf von Vollpreisspielen und Downloadcontent insgesamt." Die Entwickler müssten dann andere Wege finden. "Es ist ja auch nicht so, dass Darth Vader nicht auch als Einzelheld gekauft werden würde, wie die vielen erfolgreich verkauften DLC-Inhalte der vergangenen Jahre in allen möglichen Vollpreistiteln belegen. Aber dann eben einmalig zu einem bestimmten Preis und nicht unter der Maskerade einer Lotterie."

Erste Schritte sind getan

Es funkelt, glitzert und sieht toll aus: Lootboxen wie hier in Overwatch, stehen in der Kritik.

Es funkelt, glitzert und sieht toll aus: Lootboxen wie hier in Overwatch, stehen in der Kritik. kicker eSport

Ein Verbot oder eine Regulierung von Lootboxen jeglicher Art scheint jetzt wahrscheinlicher denn je. "Wenn das Lootbox-System in Belgien und evtl. auch in Großbritannien grundsätzlich verboten wird, wird es die Frage nach einer gesamteuropäischen Lösung geben", so Scheyhing. "Das Europarecht ist geprägt von Harmonisierung. Alleingänge gibt es selten und die innereuropäische Gesetzgebung findet schon heute maßgeblich in Brüssel statt. Da sich durch den Anstoß der belgischen Regierung künftig die EU-Kommission mit dem Thema beschäftigen soll, sind erste Schritte hierzu bereits getan."

In Ländern wie China wurde erst kürzlich Blizzard Entertainment mit Auflagen belegt. So muss der Entwickler offenlegen, wie hoch die prozentuale Wahrscheinlichkeit ist, gewisse Inhalte in den Lootboxen zu ziehen. Das sei ein Anfang und würde den "schlimmen" Charakter von der Lootbox nehmen, laut Scheyhing. Ebenso wie eine Verkaufsbeschränkung auf Erwachsene. "Warum sich die USK für Glücksspielinhalte nicht zuständig sieht, erschließt sich mir nicht, da der Schutz vor den Folgen des Glücksspiels ja gerade auch im Jugendschutzrecht angelegt ist. Gerade Jugendliche entwickeln viel Leidenschaft beim Spielen. Hierauf sind ja auch die Mechaniken in FUT etc. angelegt".

Für EA wäre eine USK18-Einstufung von FIFA vermutlich ein Desaster. Doch die Kartenpacks würden durchaus in die Debatte passen: "Der fraglichen Lootbox immanent ist ja gerade, dass man auf den Inhalt wettet und hofft, tolle Inhalte für "wenig Geld", also für wenig Käufe von diesen Boxen, zu erhalten. Das kann ein Ronaldo oder ein Darth Vader sein, man investiert im Zweifel so lange, bis die erhoffte Karte aufploppt. Die Lootbox-Mechanik spielt mit der Anspannung der Nutzer beim Öffnen der "Packung". Bei Call of Duty: WWII besitzen die Lootboxen sogar Animationen ähnlich der eines einarmigen Banditen (Slot Machine)."

Gegenüber Gamespot verteidigte EA im Bezug auf die Kritik an Battlefront 2 seine Stellung "Die Mechanik der Kisten in Star Wars: Battlefront 2 ist kein Glücksspiel". Mittlerweile hat der Entwickler bereits einige Änderungen diesbezüglich vorgenommen, allerdings erst nachdem der Börsenkurs des Unternehmens gefallen war und sich Walt Disney, Star-Wars-Markenrechte-Inhaber, eingeschaltet hatten. Sollten die Nachforschungen jedoch weitergehen, könnte bald nicht nur EA ein Problem bekommen, sondern die gesamte Industrie. Das komplette Interview mit Michael Scheyhing von Gameslaw zum Thema Lootboxen und Glücksspiel veröffentlichen wir die Tage.

Nicole Lange