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eSport als Schulfach in Deutschland undenkbar?

Wir haben bei den deutschen Schulministerien nachgefragt

eSport als Schulfach in Deutschland undenkbar?

eSport als Schulfach: In Deutschland undenkbar?

eSport als Schulfach: In Deutschland undenkbar? ESL

In Deutschland will man den eSport erst noch richtig "verstehen". Sporthochschulen forschen derzeit daran, wie hoch die Belastungsgrenzen bei eSportlern sind und ob man diese mit denen aus dem normalen Sport vergleichen kann. Oftmals werden diese Studien aber eher durch private Unternehmen finanziert. Dass eSportler Leistungssportler sind, daran hat Dr. Axel Kupfer vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft an der Deutschen Sporthochschule in Köln keine Zweifel: "Ich würde den eSportlern nicht absprechen, dass sie echte Sportler sind, im Gegenteil", so Kupfer in einem Interview mit kicker eSport. Doch es gibt auch Gegenstimmen, wie die von ESPN-Präsident John Skipper: "eSport ist kein Sport - es ist mehr ein Wettbewerb. Schach ist ein Wettbewerb. Dame ist ein Wettbewerb", so Skipper gegenüber recode.net. In Norwegen gibt es diese Debatte auch, aber dennoch wagt man sich an den Versuch, eSport als Schulfach in den Stundenplan aufzunehmen.

Dota 2, Counter-Strike und League of Legends stehen als erste eSport-Disziplinen für den Schulplan zur Auswahl. "Das eSport-Fach wird auf optionaler Basis angeboten und genauso verfügbar sein, wie die anderen Sport-Spezialisierungen - Handball oder Fußball", erklärt der Leiter der Wissenschafts-Abteilung, Petter Grahl Johnstad dem Online-Magazin Dotablast.com. In Deutschland tun sich die Verantwortlichen dagegen noch sehr schwer, dass Thema eSport offiziell als Sportart oder sogar als Schulfach zu akzeptieren. Dabei würde die Anerkennung des Deutschen Sportbundes (DSB) schon sehr viel bringen. Auch in diesem Punkt sind andere Länder schon weiter. Die USA oder auch Frankreich stufen eSport als echte Sportart ein und geben den Disziplinen auch die notwendige Unterstützung. Auf eine Förderung in Deutschland warten viele eSport-Organisationen dagegen vergebens, denn wenn selbst der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) eSport nicht anerkennt, wie sollen es dann die Schulen? Eine Vorreiterposition wie in Norwegen scheint derzeit nicht in sich. Aber warum ist eSport als Schulfach aktuell in Deutschland undenkbar?

eSport-Aktivitäten für Schulen systemisch gedacht stehen wir skeptisch gegenüber

Ministerium für Schule und Berufsbildung in Schleswig-Holstein
Der eSport wird immer populärer, aber als Sport wird er in Deutschland weder anerkannt noch in den Lehrplan aufgenommen.

Der eSport wird immer populärer, aber als Sport wird er in Deutschland weder anerkannt noch in den Lehrplan aufgenommen. ESL

Auf Nachfrage von kicker eSport hat uns das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst folgende Stellungnahme geliefert: "Virtuelle Computer- bzw. Shooter-Spiele werden den Bildungszielen bayerischer Schulen nicht gerecht." Der Sportunterricht habe in der bayerischen Bildungspolitik einen hohen Stellenwert, denn als einziges Bewegungsfach würde der Sportunterricht wichtige Aufgaben erfüllen. Regelmäßige Bewegung sei wichtig, um so der häufig vorherrschenden Bewegungsarmut entgegenzuwirken. eSport fördere nicht die physische Bewegung. Eine motorische sportliche Aktivität ist nicht erkennbar, heißt es in der Stellungnahme weiter. Für Nordrhein-Westfalen ist eSport als Schulfach derzeit auch kein Thema. Zwar sei es denkbar, dass man dieses Thema irgendwann in irgendeiner Form antesten könnte, derzeit sei dies aber kein Thema, wie uns das Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes NRW auf Anfrage mitteilte. Das Ministerium für Schule und Berufsbildung in Schleswig-Holstein sieht dies ähnlich: An Schulen in Deutschland - und damit auch in Schleswig-Holstein - sei eSport nicht etabliert und nach dem derzeitigen Wissensstand auch nicht vorgesehen und weiter: "Vor allem ist wohl die Wirtschaft daran interessiert (großer Markt). Unseres Ermessens sind vor dem Hintergrund des oft festgestellten Bewegungsmangels bei Kindern und Jugendlichen 'echte' sportliche Aktivitäten wichtiger. Kurz gesagt: eSport-Aktivitäten für Schulen systemisch gedacht stehen wir skeptisch gegenüber."

Gewaltverherrlichende Spiele ausgeschlossen

zum Thema:

Man scheint der Auffassung zu sein, dass die Aufnahme eines eSport-Fachs damit einhergeht, dass der normale Sportunterricht abgeschafft werden muss oder weniger Wert wäre. In Norwegen sieht man eSport eher als optionales Fach, dass die Schüler zum bestehenden Schulplan hinzuwählen können. Doch neben den Fragen zum Mehrwert, den die Schüler durch ein eSport-Fach hätten, kämpft besonders Bayern immer noch mit dem Klischee der gewaltverherrlichenden Spiele. So heißt es in dem Statement des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst weiter: "Gewaltverherrlichende Spiele, bei denen das Töten des Gegners und die Zerstörung von Objekten im Mittelpunkt stehen, widersprechen den Werten, wie sie die Bayerische Verfassung in Artikel 131 nennt". Spiele wie Counter-Strike werden es somit wohl nie in den Schulplan schaffen, aber FIFA, PES, Hearthstone, StarCraft II oder sogar Dota 2 und League of Legends wären denkbar. Zwar sind die beiden letzten Titel in ihrer Darstellung etwas eindeutiger, inhaltlich aber mit Spielen wie Schach zu vergleichen, in denen es darum geht, den Gegner vom Spielfeld zu entfernen. An passenden Spielen mangelt es also nicht.

Nachwuchsarbeit mangelhaft

Bei Schülern sehr beliebt: Die Deutschen Games Schulmeisterschafen.

Bei Schülern sehr beliebt: Die Deutschen Games Schulmeisterschafen. ESL

In Deutschland ist eSport an Schulen allerdings gar nicht mal so unbekannt. So gibt es bereits seit einigen Jahren die Deutsche Games Schulmeisterschaft, in der deutsche Schulen in FIFA, LoL und StarCraft II gegeneinander antreten. 2014/15 nahmen über 80 Schulen an dem Turnier teil, dessen Finale auf der gamescom in Köln ausgetragen wurde. 2015 versuchte auch die 10. Klasse des Staufergymnasiums eine Petition zu starten, die dazu führen sollte, dass der DOSB eSport als offizielle Sportart anerkennt. Allerdings erreichte die Petition nicht den gewünschten Erfolg und musste daher wieder eingestellt werden. Bis der eSport in Deutschland auch an den Schulen etabliert ist, wird daher vermutlich noch eine Menge Zeit vergehen. Die ersten Anzeichen kann man allerdings bereits erkennen. Andere Länder haben schon gezeigt, dass sich die frühzeitige Förderung von Teams und Spielern in der Nachwuchsarbeit auszahlen kann. Ein Thema, das viele deutsche eSport-Organisationen bemängeln, denn derzeit wird zu wenig für den Nachwuchs getan, weshalb der deutsche eSport im internationalen Vergleich aktuell wenig zu melden hat. Dass eine Einführung in den normalen Schulbetrieb auch positive Aspekte haben kann, scheinen viele Schulen noch nicht erkannt zu haben. Neben den etablierten Fächern kann eSport eine gute Ergänzung sein, die den Teamgeist und das Sozialverhalten stärkt, wie aus einer Studie der Hamburg Media School hervorgeht. Aber auch taktische und motorische Fähigkeiten sollen bei eSportlern stärker ausgeprägt sein. Wie stark die körperliche Anstrengung eines eSportlers tatsächlich ist, wird in Deutschland aber erforscht. Bis man vorzeigbare Ergebnisse hat, die den eSportler auch nachweislich als "richtigen" Sportler ausweisen, wird es das Fach eSport an deutschen Schulen vermutlich erst mal nicht geben. Beobachtet man jedoch die aktuelle Entwicklung, könnte eSport an deutschen Schulen möglicherweise in Form von Arbeitsgruppen oder in der Medienbildung als Querschnittsthema einen ersten Einstieg finden.

Nicole Lange