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"Der eSport in Deutschland hat sich geöffnet"

Interview mit SK Gaming Managing Director A. Müller

"Der eSport in Deutschland hat sich geöffnet"

Alexander T. Müller, SK Gaming Managing Director.

Alexander T. Müller, SK Gaming Managing Director. kicker

Hallo Alexander, vielen Dank, dass Du dir die Zeit für kicker eSport genommen hast. SK-Gaming ist schon lange im Geschäft dabei. Was waren für dich die größten Meilensteine seit der Gründung 1997?
Ich denke, wir können die ersten Jahre in die Kategorie "sie wollen doch nur spielen" einordnen. Ab 2000 haben wir das Schroet Kommando, so der ursprüngliche Name, mehr und mehr zu dem geformt, was es heute ist: Eine der erfolgreichsten, ältesten und professionellsten Organisationen im elektronischen Sport. Die Namensgebung war sicherlich ein Meilenstein. Aus Schroet Kommando wurde SK Gaming. Dazu kam, dass wir uns nicht auf einen Spieletitel fokussiert haben, sondern in die Breite gegangen sind. Wir sind also eine Multigaming Organisation. Als wir unser Büro im Zentrum von Köln im Jahr 2007 bezogen haben, war das sicherlich ein besonderer Moment für uns als Unternehmen.

Gab es auch mal Zeiten oder Momente, wo du selber überrascht warst über die Größe und Dimension des eSports?
Das bin ich eigentlich jedes Jahr mindestens einmal. Die gamescom ist ein toller Gratmesser dafür. Wenn Du da stehst, auf der Bühne, Dein Team spielt gleich und Du schaust in die Masse an Fans, die da sitzt, um Dein Team spielen zu sehen - und Du weißt, da sind noch Millionen zu Hause vor dem Screen und schauen via Stream live zu, das ist der Wahnsinn.
Das Thema Gaming und Computerspiele ist mittlerweile auf dem Weg zum Massenmarkt. Laut Marktforschung spielt jeder dritte Deutsche Computer- oder Videospiele. Macht sich das auch im professionellen, also im eSport-Bereich, bemerkbar, wächst sozusagen die Basis?
Absolut. Der Pool an Spielern, die Du auf dem Radar haben musst, ist deutlich größer geworden. Das macht es viel spannender. Wenn wir neue Spieler suchen, dann haben wir eine Auswahl, die uns viele Optionen öffnet.
Wie siehst Du die aktuelle und zukünftige Entwicklung des eSports in Deutschland?
Wir bewegen uns auf einem globalen Markt. Die Einschränkung Deutschland kann ich als SK Gaming nicht vornehmen. Wir sind in der Pflicht, Top-Spieler zu verpflichten. Wenn diese aus Deutschland kommen, ist das toll, wenn nicht, auch egal. Was ich damit sagen möchte: Der eSport ist sicherlich eine Chance, interkulturellen Austausch auf natürlichem Weg zu erfahren. Wir haben in den vergangenen 17 Jahren mit Spielern unterschiedlichster Kulturkreise arbeiten dürfen, das ist eine Bereicherung für uns. Es ist ein gutes Gefühl dass es mit der LCS, der gamescom und sicherlich auch uns drei wichtige Adressen im eSport in Köln gibt und somit in Deutschland. Auch wenn wir teilweise noch skeptisch beäugt werden, diese Jugendkultur wächst und wächst.

Millionen schauen zu: League of Legends.

Millionen schauen zu: League of Legends. kicker

In den USA und Korea hat sich der Markt noch stärker entwickelt, wo siehst du die Unterschiede im Vergleich zu Europa?
Ich bin mir da nicht so sicher, wenn ich ehrlich bin. Korea ok, das sehe ich. Dort ist mehr Professionalität. Mehr Möglichkeiten für die Teams. Als Werksteam von Samsung, SK Telekom oder auch LG hast Du da andere finanzielle Mittel und musst dieses Feld nicht bearbeiten. In den USA hingegen denke ich, dass es bei weitem nicht so gut und stark ausgebaut ist wie in Europa. Wenn Du dir die etablierten und stabilen Organisationen hier anschaust und was für einen Job sie trotz schwieriger Rahmenbedingungen machen, dann sage ich, dass Europa vor den USA steht. Da wir nachhaltig arbeiten, wird sich das auch auf längere Sicht nicht umkehren. Wir arbeiten zumindest hart daran. Grundsätzlich brauchen wir uns aber alle gegenseitig.

Wie bewertest Du die Stellung des eSports in Deutschland im weltweiten Vergleich?
Wir haben alle Chancen. Mehr als andere Nationen vielleicht. Es wird allerdings zu wenig daraus gemacht. Über Jahre hat die ESL Pro Series unglaublich viel für die Basis im deutschen eSport erreicht. Ob es nun an mangelnder Akzeptanz liegt oder an mangelnder Umsetzung, in meinen Augen haben viele deutsche Teams einfach zu wenig daraus gemacht. Dennoch ist die Struktur nach wie vor da. Die Gesellschaft ist in meinen Augen auch in der Pflicht, das Thema endlich als etwas Positives zu begreifen. Der eSport in Deutschland hat sich geöffnet, hat sich präsentiert. Langsam aber sicher wird es ein Umdenken geben, da bin ich mir sicher.
eSport ist bei den Fans meist mit Spielen wie z.B. League of Legends, Defence of the Ancients, Counter-Strike Global Offensive und StarCraft 2 verbunden, die der ungeübte Zuschauer oftmals nur sehr schwer versteht. Meinst Du, dass Spiele wie FIFA oder andere Sportspiele zunehmend an Bedeutung sowohl in der Community als auch bei den Zuschauern gewinnen?
Das Ganze öffnet eine interessante Debatte. Mir wurde oft die Frage gestellt, ob eSport dem "normalen" Sport gleichgestellt werden sollte, ob es eine olympische Disziplin sein sollte usw. Ich verneine das. eSport ist eSport, Punkt. Wir sind etwas Besonderes, eine Jugendkultur mit vielen Analogien zum "normalen" Sport, aber eben auch grundlegenden Unterschieden. Die Faszination, einem League Match zuzusehen, ist etwas Besonderes. Wenn Du FIFA dagegen stellst, dann hast Du Konkurrenz aus dem "normalen" Sport, nämlich das echte Spiel. So sehr ich das Spiel FIFA mag, immerhin waren wir unglaublich dominant darin, ich sehe da einen Unterschied, ob ich den digitalen Ribery brillieren lasse oder eben dem in Fleisch und Blut zusehe.

EA SPORTS FIFA - Konkurrenz zum "normalen" Sport.

EA SPORTS FIFA - Konkurrenz zum "normalen" Sport. kicker

Kommen wir zurück zu den Spielern, die Du ja auch managst. Was verdient denn ein professioneller eSportler in Deutschland, den USA oder Korea? Kann er damit seinen Lebensunterhalt bestreiten?
Das hängt vom Spieler ab. Heute hat er verschiedene Arten der Einkünfte. Es ist aber durchaus möglich, als Profispieler im Jahr sechsstellig zu verdienen. Man ist also in einer Phase des Lebens in der Lage, ein finanzielles Polster für die nachfolgende Phase zu erwirtschaften. Darüber hinaus kann man enorme Erfahrungen sammeln und die Welt bereisen. Ich denke, das kann unglaublich hilfreich sein.
Wie professionell ist hier die Einstellung der Spieler zu dem ganzen Thema? Gibt es auch hier Unterschiede in den Ländern?
Diese Unterschiede sind von Spieler zu Spieler sichtbar. Da muss man aber nicht nach Nationen unterscheiden.
Beim Fußball muss man als Amateurspieler entdeckt werden und dann auf gute Verträge und die richtigen Manager hoffen. Wie ist das im eSport? Wie schafft es der Zocker, sein Hobby zum Beruf zu machen?
Mit sehr viel Fleiß, Leidenschaft und Disziplin. Natürlich muss er entdeckt werden, aber er muss dann eben auch seine Chance ergreifen. Ich habe das schon oft erlebt und freue mich, einen Teil des Weges mit den Spielern gehen zu dürfen. Es macht Spaß sie reifen zu sehen.

Welche Attribute muss ein Game mitbringen, um als gutes eSport Spiel zu gelten?
Es muss vor allem den Zuschauer reizen. So einfach ist das. Am Ende entscheiden die Zuschauer, ob sich ein Titel durchsetzt. Natürlich ist der Developer in der Pflicht. Er kann dem Spiel einiges mit auf den Weg geben, dass es diesen Weg geht. Lässt er es sein, hat das Spiel kaum eine Chance.
Im realen Sport haben wir die klare Trennung zwischen Frauen und Männern, im eSport hingegen ist es kein Problem, die Geschlechter zu mischen. Wie siehst du die Frauen im eSport momentan aufgestellt und wo gibt es noch Verbesserungspotenzial?
Wir haben zu wenige. Ich würde mir wünschen, dass mehr Frauen und Mädchen spielen und sich zeigen. Wir haben über Jahre bewiesen, dass wir gerne und intensiv mit dem Thema arbeiten. Im Punkt Ehrgeiz und Professionalität waren unsere Mädels unglaublich stark.

Als kicker-Leser mag ich es, wenn sich eine solche Marke einem so neuen Thema öffnet. Hut ab, dazu gehört Mut!

Alexander T. Müller zum Launch von kicker eSport

Warum hat es der Sport deiner Meinung nach noch nicht so richtig ins Fernsehen geschafft? Was fehlt noch?
Moment. Warum sollte er? Was ist Fernsehen? Wetten, dass? Musikantenstadl? Der Tatort am Sonntag? Das Thema ist in meinen Augen völlig falsch aufgesetzt. Video-Inhalte werden mehr und mehr über Stream und Video on Demand konsumiert. Der Zuschauer entscheidet, was er wann sieht. Der eSport präsentiert sich dort bestens und ist eine wahre Medienmacht geworden in meinen Augen.
Wenn man auf eine LAN-Partie kommt, so wirkt das für Menschen, die eher wenig mit dem Thema zu tun haben, befremdlich. Sport ist agil, gesund und lebhaft. Auf einer LAN- oder auf eSport-Veranstaltungen haben manche immer noch das Bild von dunklen Räumen und stickiger Luft im Hinterkopf. Klischee oder muss da an der Außenwirkung noch gearbeitet werden?
Und dennoch haben wir die Emotionen der Spieler und der Zuschauer. Wie ich schon gesagt habe. Es gibt grundlegende Unterschiede. Das ist einer davon. Dennoch übt der eSport auf den Zuschauer eine ähnliche Faszination aus.
Was denkst du, welche Rolle könnte kicker eSport einnehmen und wie wichtig ist die Akzeptanz der Medienhäuser für diesen Sport?
Als kicker-Leser mag ich es, wenn sich eine solche Marke einem so neuen Thema öffnet. Hut ab, dazu gehört Mut! Es ist ein sehr gutes Zeichen und es hilft, eine Lücke zu schließen. Ich kann vom klassischen kicker-Leser nicht erwarten, dass er auf www.sk-gaming.com geht und versteht, was wir da schreiben. Der kicker kann hier Brücken bauen und dazu beitragen, Nicht-Wissen zu beseitigen. Das ist wichtig und ein guter Schritt.

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