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Heiserkeit und Emotionen: Der Beruf FIFA-Caster

Kommentatoren im virtuellen Fußball

Heiserkeit und Emotionen: Der Beruf FIFA-Caster

FIFA-Caster Malte Hedderich (li.) und Benny Drexler bei der Arbeit.

FIFA-Caster Malte Hedderich (li.) und Benny Drexler bei der Arbeit. ESL/ Helena Kristiansson

FIFA steckt im eSport noch immer in den Kinderschuhen. Mit der Umstellung auf FIFA Ultimate Team (FUT) geht Entwickler Electronic Arts (EA) den nächsten Schritt und gleicht alle bestehenden und neu geschaffenen Turniere auf diese Spielform an. Hierbei treten die Spieler mit einem individuellen Team-Kader an und sind nicht wie bisher auf bestehende Mannschaften wie z.B. Real Madrid festgelegt.

Mit voranschreitender Professionalisierung kommen nun neue Akteure ins Spiel. Plötzlich nehmen Fußballvereine eSportler unter Vertrag und die Turniere sind nicht länger nur im harten Kern der Gamerszene von Bedeutung. Und wo die Relevanz einer Sportveranstaltung steigt, wird auch ihre Präsentation in der Öffentlichkeit verbessert. In anderen eSport-Titeln ist es längst üblich, dass Begegnungen live von Kommentatoren begleitet werden, bei FIFA ist es dagegen ein Novum.

Um der Stellung der Kommentatoren und ihrer Wichtigkeit für ein Spiel auf die Spur zu kommen, haben wir mit drei professionellen Castern gesprochen: Malte Hedderich und Benjamin Drexler haben die ESL Meisterschaft auf Deutsch kommentiert und sind Gründer und Geschäftsführer von bPartGaming. Joe Miller ist Editor in Chief bei der ESL, hat viele Jahre League of Legends (LoL) und andere Titel kommentiert und zuletzt zusammen mit seinem Kollegen Leigh 'Deman' Smith die FIFA-Begegnungen auf der DreamHack in Schweden in englischer Sprache gecastet.

Die Experten klären, wofür Caster wichtig sind

Alle drei sind sich einig: „Caster sind bei FIFA, wie bei jedem anderen eSport-Titel auch unabdingbar, da sie neben der sportlichen Leistung einen wesentlichen Teil der Unterhaltung für den Zuschauer darstellen“, sagt Drexler. Kommentatoren sind dazu da, den Zuschauer noch tiefer ins Geschehen zu bringen, die Action greifbarer zu machen und ihm außerdem Informationen zu liefern, Taktiken einzuordnen und die Spielweise einzuschätzen.

Ein guter Kommentator kann ein langweiliges Spiel unterhaltsam machen!

Joe Miller, Editor in Chief der ESL

„Ein guter Kommentator kann ein langweiliges Spiel unterhaltsam machen und die mitreißenden Spiele zu den besten!“, sagt Joe Miller. Anders als im Offline-Fußball funktioniert Casting im eSport in der Regel mit mehreren Leuten, oft zu zweit. Beide Kommentatoren haben feste Rollen. Es wird unterschieden zwischen dem Hauptkommentator, der auch „Play-by-Play“-Caster genannt wird, und dem Analysten oder Colour-Kommentator.

Joe Miller (re.) und Leigh 'Deman' Smith casten die DreamHack.

Joe Miller (re.) und Leigh 'Deman' Smith casten die DreamHack. DreamHack

Ersterer gibt vor allem wieder, was auf dem Bildschirm geschieht, also was der Zuschauer unmittelbar sehen kann. Er schreit schon mal laut „Tor“ und heizt das Publikum an. Der Analyst oder Colourcaster ist, wie der Name vermuten lässt, für die ruhigen Momente da, bringt Farbe in die Ereignisse und rückt das Geschehen in einen taktischen Kontext.

In den unterschiedlichen eSport-Disziplinen werden die Bezeichnungen mitunter nicht gleich verwendet. Bei FIFA selbst scheint diese Unterscheidung sowieso nicht so richtig zu funktionieren, was aber auch nicht stört. „Wir haben hier keine feste Einteilung, wer Main- und wer Colour-Commentator ist. Das ist unserer Einschätzung nach nicht in dem Maße praktikabel, weil sich in FIFA binnen einer Sekunde eine gefährliche Spielsituation entwickeln kann“, sagt Drexler.

Hedderich ergänzt: „Dennoch entwickelt man ein Gefühl, wie zwischen Play-by-Play und Colour-Cast unterschieden wird. Der Übergang ist zwar fließend, doch beide Komponenten zu unterscheiden finde ich wichtig, um in besonders spannenden, hitzigen Situationen voll im Spielgeschehen zu sein, um den Verlauf des Spiels möglichst unterhaltsam darzulegen und in weniger action-geladenen Momenten analytische Gedanken in Ruhe einzubringen.“

Kommentieren im eSport ist anders

Die Unterschiede zum klassischen Fußballkommentar sind groß. Im Deutschen gibt es in der Regel nur einen einzigen Caster. Joe Miller weiß, warum das im eSport anders ist: „Ein FIFA-Spiel hat mehr Torchancen als nahezu alle "normalen" Fußballspiele, und sie sind komplett in zwei sechsminütige Halbzeiten gestopft. Die Geschwindigkeit, mit der ein FIFA-Spiel läuft, ist überaus geeignet für zwei Play-by-Play-Caster. Das wäre in einem 90-minütigen Fußballspiel sinnlos.“

Zum Thema:

Nichts desto trotz reicht es nicht, zwölf Minuten lang durchzubrüllen, merken Drexler und Hedderich an. „Viele schalten ein, weil sie sich etwas für ihr eigenes Spiel mitnehmen wollen. Grundsätzliche taktische Elemente beschreiben wir aber sehr ähnlich wie Fußballkommentatoren.“ Beim Kommentieren braucht es also auch ein Gespür für die Zuschauer. In der Regel brauchen die keinen, der ihnen erklärt, wie das Spiel funktioniert.

„Sie wollen eher, genauso wie in anderen Spielen und beim Fußball selbst, spannende Geschichten hören. Wer ist der Favorit? Wer ist der Underdog? Warum spielt der jetzt Team X? Es gibt eine Menge Feinheiten in einem Spiel wie FIFA, die auch nicht jeder Fußball-Fan automatisch erkennt“, sagt Miller.

FIFA 17 ist Nonstop Action vom ersten Augenblick an.

Joe Miller

Kommentieren im eSport ist also wichtig, verbessert das Erlebnis und bringt den Zuschauern neue Sachen bei. Trotzdem ist jede Disziplin anders. Joe Miller kommt von League of Legends (LoL) und sagt: „Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. LoL hat stark abgegrenzte Phasen. Nach einer Aufbauphase geht es in Teamkämpfe und dann in die Schlussphase. FIFA 17 ist Nonstop-Action vom ersten Augenblick an.“

Damit der Zuschauer nicht den Überblick verliert und stets gut informiert ist, kommentieren Benny Drexler, Malte Hedderich und Joe Miller das Geschehen. Dann bleibt auch wirklich jeder am Ball.

Holm Kräusche